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Kompost-Toilette für die H'Mong

Ein weiteres Projekt

Kein WC - Spätfolgen einer nomadischen Vergangenheit

In den zahlreichen Gesprächen die wir während des Baus des Ofens mit Phil und Hoa führten, kamen wir auch auf einige Besonderheiten der H'Mong zu sprechen, die uns anfangs etwas verwirrt hatten. Darunter zählt auch die Tatsache, dass die meisten keine Toilette besitzen, selbst wenn die Häuser mitten in einem Dorf stehen.
Diese seltsame Verteilung der Prioritäten ist ganz klar auf die nomadische Vergangenheit zurückzuführen. Die H'Mong stammen vermutlich aus dem westlichen Eurasien und sind über Sibirien und die Mongolei nach China, Vietnam, Thailand und Laos gelangt. Noch vor hundert Jahren lebten sie nomadisch und betrieben einfache Landwirtschaft durch Brandrodung. Alle paar Jahre zogen sie weiter und liessen dem Land Zeit, sich wieder zu erholen.
Von dieser Vergangenheit zeugen heutzutage vor allem ihre Häuser, welche sich in kurzer Zeit komplett zerlegen und wegtransportieren lassen. Natürlich ist eine funktionierende Toilette fur einen Nomaden unwichtig, man zieht ja sowieso bald wieder weiter.

Kompost statt Umweltverschmutzung

Heutzutage ziehen die H'Mong nicht mehr weiter, weshalb die Infrastruktur sich langsam diesem neuen Lebensmodell der Sesshaftigkeit anpassen sollte. Einige der reicheren H'Mong begannen deshalb in den letzten Jahren, WC's zu bauen. Sie folgten dem Beispiel aus dem Westen und bauten WC's mit Wasserspülung. Natürlich gibt es in der ganzen Region nirgends ein Abwassersystem, geschweige denn eine Kläranlage. In Sapa landet alles im nächsten Fluss, was der Gesundheit nicht förderlich ist. In den Dörfern werden hingegen septische Tanks gebaut: Grosse Tanks im Untergrund, in welchen die Fäkalien aufgefangen werden. Zu unserem grossen Erstaunen hat sich aber niemand Gedanken darüber gemacht, was passiert wenn die Tanks voll werden. Die meisten Häuser sind nicht mit grösseren Fahrzeugen erreichbar, also werden die Leute wohl den Boden der WC's aufbrechen und den Inhalt mit Kübeln rausfischen oder an einem anderen Ort ein neues WC errichten müssen.

Wir hatten eine bessere Idee: Wieso nicht die Fäkalien kompostieren? Dies würde zwei Probleme auf einen Schlag lösen: Einerseits wird man die Fäkalien los, andererseits erhält man sehr guten Dünger. Bisher wird der Dünger für den Reisanbau grösstenteils gekauft.
Auf unseren Reisen haben wir bereits einige male solche Kompost-Toiletten benutzt, das letzte mal in der Hang-En Höhle in Vietnam. Dass es möglich ist wussten wir deshalb, wir mussten nur noch herausfinden wie man vorgeht. Glücklichwerweise stiessen wir nach einigem Suchen auf das hervorragende Humanure Handbook, in welchem alle unsere Fragen beantwortet wurden. Das Buch enthält sogar Bauanleitungen für die WC-Box!

humanurehandbook.com

Wie funktioniert nun die Kompost Toilette im Detail?

Bei der Kompost-Toilette macht man sein Geschäft in einen Kübel und bedeckt es mit Reisspreu oder Sägemehl. Dieses Material dient als Biofilter, es verhindert dass die Toilette stinkt. Eine weitere Funktion des Deckmaterials ist das Einbringen von Luft und Kohlenstoff in den Kompost. Damit die Toilette bequem ist, wird ein Standard-Toilettensitz auf eine Box montiert, in der der Kübel versteckt ist.
Sobald der Kübel voll ist, wird er zum Komposthaufen gebracht. Dort wird in der Mitte eine kleine Vertiefung gegraben und der Inhalt des Kübels hineingeleert. Der Kompost wird nun wieder bedeckt mit gröberem Pflanzenmaterial, zum Beispiel Stroh.
Das Pflanzenmaterial liefert Kohlenstoff und Sauerstoff (durch eingeschlossene Luft), während Kot und Urin Stickstoff und Feuchtigkeit liefern. Zusammen werden dadurch die idealen Voraussetzungen für eine thermophile Zersetzung geschaffen. Hitzeliebende Bakterien verstoffwechseln die Inhaltsstoffe des Komposthaufens. Die Temperatur im Innern des Haufens steigt dabei so stark an, dass sämtliche Keime und Wurmeier in den Fäkalien verbrennt werden. Wichtig ist dabei, dass der Kompost nicht umgeschaufelt wird, da dadurch die heisse Reaktion unterbrochen wird. Die von den Bakterien benötigte Luft ist bereits in der Reisspreu und dem Heu enthalten.
Der Haufen wird ein Jahr lang gefüllt, anschliessend lässt man ihn ein weiteres Jahr ruhen. Dies stellt sicher, dass alle noch verbliebenen Krankheitserreger absterben. Ausserdem wird der Kompost in dieser Zeit weiter zersetzt, zum Beispiel durch Regenwürmer.

Frewillige vor!

Nun mussten wir nur noch eine Familie finden, bei welcher wir die erste Kompost-Toilette aufstellen konnten. Wir waren überzeugt, dass viele eine derartige Toilette haben wollten, wenn sie einmal eine funktionierende besichtigt hätten. Um die erste Familie dafür zu gewinnen brauchte es aber viel Überzeugungsarbeit. Die Frage die alle sofort stellten war: Wird das nicht stinken? Nein wird es nicht, solange man sich korrekt verhält.
Phil leistete ganze Arbeit und konnte schliesslich die Familie von Ker zum Experiment überzeugen. Eine ideale Wahl: Ker ist ein Guide bei Ethos, eine gute Kollegin von uns und spricht hervorragend Englisch. Ihr Vater ist ein angesehener Shamane.

Zuerst das Badezimmer

Günstiges Leitungssystem

Zu einer Toilette gehört immer auch ein Ort zum Höndewaschen. Wir gingen einen Schritt weiter und bauten nebst dem Waschbecken noch eine Dusche. Diese sollte nicht nur die Hygiene verbessern, sondern auch den zukünftigen Gästen des Homestays dienen.
Die Familie hat Zugang zu einer Quelle, aus der das ganze Jahr frisches Wasser strömt. Da das Haus ausserdem am Hang steht, war es für uns ein Leichtes, hier eine funktionierende Dusche zu errichten. Wir deckten uns in userem Lieblings-Metallwarenladen in Sapa mit allem nötigen ein: Schläuche, PVC-Verbindungsstücke und ein Waschbecken mit angeschlossenem Duschkopf.
Oben auf dem Hügel bauten wir aus einem alten Wasserkübel einen Ausgleichsbehälter mit Überlauf, welcher einen konstanten Wasserdruck garantiert. Dieser wird stetig mit Wasser aus der weiter entfernt liegenden Quelle gefüllt. Die Leitung führt vom Behälter zuerst zur Küche im Haus und anschliessend zum Waschbecken im Badezimmer.

Der Boden des Häuschens wird betoniert

Diesmal benötigten wir keinen externen Baumeister. Die Familie hatte bereits das alte Büffelhaus abgerissen und den Boden eingeebnet. Nachdem wir zusammen entschieden hatten wo genau die Toilette zu platzieren war, steckten wir den Boden mit Holzlatten ab. Den für den Beton benötigten Sand fand Ker einige hundert Meter entfernt in einem alten Bachbett. Von dort aus schleppte die ganze Familie den Sand in Körben zur Baustelle (das Haus ist nur zu Fuss über einen steilen Pfad erreichbar). Die 50 kg Zementsäcke wurden ebenfalls zu Fuss den steilen Pfad hochgetragen. Beim Mischen und Betonieren packten all mit an, so dass wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit fertig wurden.

Ein echtes H'Mong Badezimmer

Um das Badezimmer zu bauen wurde das alte Büffelhäuschen wiederverwertet. Vater und Sohn hobelten die Balken sauber und steckten das Häuschen zusammen. Die H'Mong Häuser sind alle in dieser Bauweise errichtet, wobei beim Haus die senkrechten Balken nur mit jeweils zwei Querbalken verbunden werden: Einer am Boden, ein weiterer etwas über dem Kopf. In diese Querbalken werden beim Haus die Seitenwände gesteckt.
Etwas mühsam war das Anbringen des Waschbeckens. Die mitgelieferten Schrauben waren derart schlecht, dass sie beim Einschrauben kaputt gingen. Mit Müh und Not schafften wir es doch noch, das Becken etwas wackelig zu befestigen. Den Vater überzeugte dies aber nicht, weshalb er sofort den Sohn lossschickte einen der grossen Bambus zurechtzustutzen. Der Bambus machte das ganze nicht nur sehr stabil, sondern versteckte auch die Abwasserleitung gekonnt. H'Mong sind wirklich sehr geschickte Handwerker und Improvisationstalente.

Nun wollten alle die Dusche testen :-)

Die Toiletten-Kiste

Die Einzelteile der Kiste liessen wir von einem Schreiner in Sapa herstellen, anschliessend bauten wir sie zusammen. Die H'Mong sind zwar alle sehr praktisch begabt, können aber keine Zeichnungen lesen. Da nun ein Vorzeigemodell da ist, werden sie die nächste Kiste gut selber herstellen können.

Das Haus um das Badezimmer wird die Familie selber fertigbauen, dafür braucht es uns nicht mehr.

Abschiedsessen bei der Familie

Nach der ganzen Arbeit wurden wir von der Familie zu einem guten Nachtessen eingeladen. Natürlich stiessen wir mit Reiswein auf das gelungene Projekt an und wurden mit Geschenken überhäuft.