Nach zwei super Zweitagestouren mit dem Touranbieter Ethos kamen wir mit dem Gründerehepaar Phil und Hoa ins Gespräch. Phil ist Engländer, Hoa Vietnamesin. Die beiden engagieren sich mit viel Herzblut für die ethnischen Minderheiten in Vietnam. Als Touranbieter bieten sie H'Mong und Red Dao Guides ein Einkommen, sind als Lehrer tätig und investieren ihre Freizeit und ihr Einkommen für Projekte zur Unterstützung dieser faszinierenden Bergvöker, vor allem der H'Mong.
Auch uns ist aufgefallen, dass die Häuser der Hmong sehr verraucht sind, da sie auf dem offenen Feuer im Haus kochen. Phil erzählte uns, dass die Lebenserwartung nur 46 Jahre beträgt und die Leute vor allem an Lungenentzündung sterben. Trotz des Feuers im Innenraum sind die Häuser im Winter kalt und feucht, da sie überhaupt nicht isoliert sind
und die Wände grosse Spalten aufweisen.
Phil und Hoa hatten schon die Baupläne bereit, um bei einem ihrer Guides eine Esse (ein grosser Dampfabzug) zu bauen, welche den Rauch nach ausssen leitet. Wir erwähnten, dass in der Schweiz schon seit hunderten von Jahren Kachelöfen gebaut werden, damit die Wärme der Rauchgase zum Heizen genutzt werden kann. Spontan boten wir an, einen Kachelofen für H'Mong und andere Völker in der Region zu designen und einen ersten Prototypen zu bauen.
Als Standort für den Prototypen haben Phil und Hoa das Haus von So und ihrer Familie ausgesucht. So arbeitet als Guide für Ethos und ist sehr aufgeschlossen für neue Ideen. Ihre Familie wohnt in Sa Seng, etwa 20 Minuten mit dem Motorrad von Sapa entfernt.
So am Kochen auf dem offenen Feuer. Oberhalb des Feuers wird Holz getrocknet, auf dem Boden darüber lagern Maiskolben und Reissäcke.
Wir hatten auf dem Weg zur Halong Bucht in einem Souvenirladen eine Schildkröte mit Messband gekauft, eigentlich als Souvenir. Doch jetzt konnten wir diese super gebrauchen um das Haus auszumessen.
Mit einem Bambuskorb und einer altertümlichen Waage bestimmten wir das Volumen von 8kg Bambus - etwa so viel soll später in der Brennkammer Platz haben.
Nach ersten Berechnungen und Konzeptzeichnungen besprachen wir das Design mit So, Hoa und Phil. Neben dem CAD-Modell kamen auch Bauklötze als Anschaungsmodell zum Einsatz. Für Ethos ist es von grösster Bedeutung, dass Projekte wie dieses eine Verbesserung bringen, ohne die Kultur negativ zu beeinflussen. Aber wir waren uns schnell einig, dass Kälte und Nässe nicht zur Kultur gehören und ein Ofen auf jeden Fall eine Verbesserung bringen sollte. Da So und ihre Familie ihre jetzige Feuerstelle noch bis zum Ableben der Grosseltern behalten müssen, entschieden wir uns für einen Anbau am bestehenden Haus, welcher isoliert werden soll, um die Wärme des Ofens im Raum zu behalten.
Über eine Woche lang hatten wir uns intensiv mit Kachelöfen auseinandergesetzt, verschiedene Designs diskutiert, Berechnungen gemacht und Zeichnungen erstellt. Da wir vorher noch nie einen Ofen designt hatten, holten wir uns uns wertvolle Tipps von Josef Wüest ein. Er ist Spezialist für Holzfeuerungen an der Fachhochschule Nordwestschweiz und hat deshalb reichlich Erfahrung. Der Ofen bietet eine Kochstelle für zwei Pfannen, eine Warmhalteplatte für Reis und ein geheiztes Bänklein. Die Kochstelle ist für unsere Verhältnisse sehr tief, damit die Hmong wie gewohnt im Sitzen Kochen können.
Hoa hatte vorgängig ein gutes Bauunternehmen ausfindig gemacht und Offerten eingeholt. Nun konnte es losgehen. Um zum Haus von So zu gelangen, hatten wir uns einen Roller gemietet.
Die Kinder von So und Mai waren sehr interessiert an den neuen Geräten und wollten fleissig mithelfen :-).
Wir begannen am Morgen früh mit dem Setzen erster Ziegelsteine. Während Daniela das Setzen jedes einzelnen Ziegelsteines überwachte, schaffte Peter mit Lala weiterere Ziegelsteine heran. Der Bauführer verstand glücklicherweise englische Zahlen, ausserdem stand uns Diep von Ethos als Übersetzerin zur Verfügung. Während der ganzen Bauzeit mussten wir ständig auf der Hut sein und immer wieder falsch gesetzte Ziegelsteine korrigieren. Das Mauern nach Zeichnung ist hier in Vietnam nicht sehr geläufig.
Gemauert wird hier ohne Wasserwaage und Richtschnur. Der Ofenmörtel wird am Boden angemischt. Da wir nicht vom Fach sind, wollten wir uns nicht zu stark einmischen, wir liessen uns überraschen.
Auch der Grossvater war sehr interessiert am Bau. Erstaunlich, wie sich der 89-jährige noch bücken kann! Als Schieber hatten wir Bodenplatten vorgesehen, da diese sehr günstig und einfach erhältlich sind. Wir mauerten sie mit Plastik umhüllt ein.
Die Wände sind ziemlich schief geworden, was aber die Strömungskanäle kaum beeinflusst. Mit seinen schiefen Wänden und krummen Ablageflächen hat der Ofen richtig Charakter. Wir nehmen uns trotzdem vor, für den nächsten Ofen das Verwenden einer Richtschnur vorzuschreiben. Später sollen die H'Mong ihre Öfen selber bauen können. Es braucht nur noch einen Volunteer, welcher einige junge H'Mong im Mauern ausbildet. Im Bild fehlt noch der Kamin, ein isoliertes Stahlrohr, welches später noch geliefert wird.
Wir hatten den Bau gerade vor Tet, dem chinesischen Neujahr, noch fertig geschafft. Am nächsten Tag gingen die Bauarbeiter in ihre Ferien. Tet ist wie Weihnachten, Neujahr und Geburtstag in einem. Entsprechend schwierig ist es, in dieser Zeit etwas zu bauen. Aber der Ofen musste jetzt sowieso erst einmal trocknen und wir widmeten uns den Tet-Festivitäten. Glücklicherweise verschwand der ewige Nebel während Tet und liess unseren Ofen schön trocknen.
Nachdem wir den Ofen über Tage hinweg mit glühenden Kohlen langsam
ausgetrocknet hatten, konnten wir mit den ersten Testfeuern beginnen.
Uns fiel sogleich ein Stein vom Herzen: Der Ofen funktionierte tatsächlich!
Selbst der Zug des provisorisch zusammengeschraubten Blechkamins genügte,
um die Rauchgase einwandfrei durch die Ofenzüge zu leiten.
All unsere Berechnungen, Designs und Zeichnungen sind aufgegangen und
der Ofen ist tatsächlich funktionstüchtig! Dies war nicht
ganz selbstverständlich, die vielen Umlenkungen der Eckbank haben
uns an die Grenze des Machbaren gebracht.
Die Kochplatte wurde extrem heiss, definitiv genug um darauf Kochen zu können.
Eine der ersten Aufgaben bestand deshalb darin, den kleinen Kindern
zu zeigen, wie gefährlich die Platte ist. Alle waren beeindruckt,
wie auf die Platte gegossenes Wasser explosionsartig verdunstete.
Wie bei einem ersten Prototypen üblich, haben wir sehr viele Sachen bemerkt, die wir beim nächsten Mal besser machen können.
Eigentlich dürfte die Mörteldicke beim feuerfesten Beton maximal
6 mm betragen. Leider hatte unser Baumeister ziemlich schlecht gearbeitet, und
bis zu 3 cm dicke Fugen erstellt! Man muss allerdings auch zugeben, dass mit den
unregelmässig geformten Ziegelsteinen, die uns zur Verfügung standen, derart
dünne Fugen kaum machbar waren.
Die übermässige Fugendicke führte leider dazu, dass überall
Risse auftraten und der Beton nur so rausbröckelte.
Wir entfernten die bröckelnden Mörtelreste und losen Ziegelsteine
und befestigten sie mit zwei anderen besser geeigneteren Mörtelmischungen - innen warmfest, aussen stabil und dicht.
Die Ofenzüge bedeckten wir mit Bodenplatten. So sieht der Ofen nicht nur viel schöner aus, sondern ist erst noch viel stabiler.
Zur Isolation des Hauses hatten wir einige Rollen Glaswolle gekauft. Das Material erwies sich als perfekte Dichtung für die Kochplatte, die Tür und den Kamin.
Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass wir alles selber machen müssen,
um die notwendige Qualität zu erhalten. Das war sowieso unser Ziel,
da wir so später wichtige Jobs für die H'Mong schaffen können. Wir fuhren also
runter nach Lao Cai und besuchten einen Tag lang sämtliche Metallwarenläden
der Stadt, bis wir alle nötigen Werkzeuge zusammen hatten.
Am nächsten Tag drückten wir den Diamantschneider gleich
Mai in die Hand und liessen ihn die Ziegelsteine zuschneiden. Nach
zwei Steinen hatte er den Trick raus und begann bereits, sich Hilfsmittel
zu basteln.
Ein paar Tage später konnten wir den Ofen wieder einheizen. Diesmal entkam kein Rauch mehr aus den undichten Mörtelfugen und der Ofen wurde schön warm. Die Ofenbank war bei allen überaus beliebt und wurde stetig belagert.
Zu unserem Abschiedsfest luden wir alle zu So ein. Wir wollten den Ofen vorführen und ein bischen Werbung dafür machen. Selbstverständlich musste deshalb das Essen für alle 16 Gäste auf dem neuen Ofen gekocht werden! Erschwert wurde dies etwas dadurch, dass der Ofen erst am Vorabend wieder betriebsbereit war und So deshalb vorher erst ein paar wenige Male darauf gekocht hatte. Mit beeindruckendem Improvisationstalent gelang es ihr und ein paar Kolleginnen aber trotzdem, ein leckeres Essen zuzubereiten.
Dieses Projekt wäre natürlich nie zustande gekommen
ohne Phil, Hoa und Diep von ETHOS. Sie haben lange vor unserer Ankunft die
Probleme vor Ort identifiziert und vieles unternommen sie zu verbessern.
Auch haben sie das absolut notwendige Vertrauensverhältnis zu den
H'Mong aufgebaut, ohne das wir natürlich nirgends einen Ofen hätten
bauen können.
Während des Baus unterstützten sie uns wo sie nur konnten, organisierten
nicht nur kaum erhältliche Materialen während den Feiertagen,
sondern halfen auch tatkräftig beim Bau des Ofens mit. Es war
wirklich grossartig mit ihnen zusammenarbeiten zu können!
An unserem letzten Tag in Sapa konnten wir die lange vorher bestellte Tür doch noch entgegen nehmen. Wir machten uns deshalb noch einmal nach Sa Seng auf, um sie zu montieren. Sieht schön aus! Jetzt fehlt nur noch der richtige Kamin, dieser sollte aber in den nächsten Tagen eintreffen. Leider werden wir dann schon nicht mehr in Vietnam sein.
Der Bau dieses Ofens war für uns eine grossartige Erfahrung: Das erste mal konnten wir unser Wissen
der Thermodynamik mit all unseren Reiseerfahrungen kombinieren um
etwas wirklich Nützliches zu erschaffen.
Nebst dem neu gewonnenen Wissen über den Ofenbau haben wir auch
unendlich viel über die Kultur und die Lebensart der H'Mong und der
Dao lernen dürfen.
Selbstverständlich soll dieser Ofen nicht ein Einzelstück bleiben.
Wir haben bereits jetzt zahlreiche Ideen, um ihn noch besser zu machen.
Zurück in der Schweiz werden wir uns weiter damit beschäftigen,
währen Phil und Hoa von ETHOS hier in Vietnam weitere Abklärungen
vornehmen werden. Natürlich hoffen wir auch auf viele wertvolle Inputs von unserern Testnutzern So und Mai.
Vor Ort in Vietnam sollen weitere Öfen in Zukunft von den H'Mong
selbst gebaut werden. So lösen wir nicht nur gesundheitliche
Probleme, sondern schaffen auch Arbeit. Der Weg dorthin ist natürlich noch lang.
Den ersten Grundstein haben wir aber bereits mit dem Kauf aller notwendigen Werkzeuge gemacht.